Neue Odessa Bar

Gedichte

Glasig leer ist der Blick,
verkokstes Starren ins innere Nichts.
Maximalgewinn, Pappentrip,
noch ne‘ Line, Partnertausch!
Höher, verstehste, Millionenprojekte.
Rausch folgt Rausch folgt Rausch folgt Rausch.

Kaviar, Sex und Hohlgequatsche,
Glitzertusche, Creditcard,
in hellgrüner Bomberjacke,
Torstraßen-Pop-Prekariat.

Was mit Kunst macht hier jetzt jeder,
Richkids tragen Alditasche,
alle Butts ganz geil mit Leder,
Connections, Queerness, Nazi-Asche.

Berghainschlange, Credskultur, 
hell yeah, we are fucking Insta-Aktivisten,
in Asi-Look mit Patek-Uhr,
Partykommunisten in Dauerpose,
Champagner-Cocktail,
Prince of Wales!

Und jene, deren Worte einst gewogen,
Hip-Hip, Chin-Chin, Hurra,
dienen als Designer Slogan,
Apokalypse gratis an der Bar.

U.H.

Leid

Gedichte

Ein jeder hat ein Leid zu pflegen,
höchst ratsam, sich eins zuzulegen.
Das Leid an sich ist dernier cri,
so viel gelitten wurd’ noch nie!
Wer leidet wie? Wer stellt‘s zur Schau?
Ist das ein Leid! Da sag ich ‘wow’!
Man hält sich’s wie ein liebes Tier,
umhegt es sorglich mit Manier.
Das arme Leid, so sagt man sich,
was wär’s denn schließlich ohne mich?

Fliegenhölle

Gedichte
Fliege (Nemesis)

In der Hölle, ich weiß es,
werden sie mich anstarren, 
Millionen Facettenaugen,
und mit tausend Rüsseln an mir saugen,
mit ihren haarigen Beinchen über mich trippeln,
und an mir nippeln – immerzu:
trip-pel, trip-pel, nip-pel, nip-pel.
Ihre papierenen Flügelchen werden surren,
stundenlang, tagelang, nächtelang!
S-U-R-R-R-R-R-R-E-N!
Und sie werden sich die kleinen Händchen reiben,
wie sie es immer tun, die Händchen reiben.
und sich genüsslich in Gelächter wiegen,
S-S-S-S-SSSSS…
die tausend toten Fliegen.

Berliner Kunstzirkus

Gedichte

(Regieanweisung Art Week)
Megalomanische Hallen,
Entgrenzung is the “Key”,
Episch muss das knallen!
Think Big, XXL-Gigantomanie.

(Volksbühne)
Wir machen was mit echten Pferden.
Und echtes Blut muss spritzen!
Sich wälzende Nackte in schlammigen Erden.
Ja, das Blut bis zu den ersten Sitzen!

Von oben jetzt, die nackten Frauen,
mastubierend auf gelbem Hubschrauber,
Porn, wie die da von der Decke baumeln.
Geht das Stöhnen noch genauer?
(Iconic, jetzt schon!)

(Derweil in der Neuen Nationalgalerie)
Da gibt’s jetzt Tanz, Musik und Sundownerbar,
auf dem Boden wälzt sich ein Schwarzer in Ketten,
daneben türmen sich Menschen zur Knubbelschar,
und Brönner jazzt mit den Trumpetten.

Im Schinkelpavillon:
Windelinstallation.
(Boah! Alter! Meme!)
Edgy Kunstjünger mit Pispottschnitten,
Goldketten und schwarzen Demna-Lederkitteln.

Vor Sankt Agnes liegt ein Trauerkranz,
mit weißer Schleife im stillen Gedenken,
für den blinden Grapscherhans,
von wegen Dunkeltanz in Discotempeln.
(Repost Breitz: Der König wurde beim xx gesehen, Igitt!)

(Auf dem Dach des Schinkelpavillons, Dämmerung)
Opa Kluge mit ausdauernden Gedankenkaskaden,
Sprayer-Grosse theoretisch nuschelnd hinterher,
Biesenbach mit denglischen Gesellschaftsfragen,
danach weiß auch keiner mehr.

Liberty steht irgendwo.
Liberty, verstehste!
Nee, aber auch egal!
Doherty stiehlt allen sowieso die Show.
war ja klar.
(Nur schade um die Uferhallen, echt schade!)

Dazwischen PR- und Kritikerpersonal,
Vernissage, Finissage, Grill Royal –
Celebrity-Personalunion mit dem Kunstkapital.
und E.ON sponsert sehr loyal #GreenDeal.
(Na woll’n wir mal nicht so spießig sein…)

Ute Hamelmann

Ekel

Gedichte

Hypernervöse Hysterie,
Alles ist absolut.
Apokalypse, Weltuntergang.
Ekstase im Echtzeitreel.
Wir sagen “Yes“ zu allem.
Widersprüche aufgelöst.
Werte sind Buttercremtorte,
Ironisch gemeint, na klar.
Das Leben als Dauerevent,
Doppelmonks an Hedonismus-Orten,
mit recyclebaren Papptellern 
und Holzgabeln,
immerhin.
Weltekel? Weggekokst!
Will keiner mehr hören, die alten Lieder.
Kunst als Schmerz will auch keiner mehr.
Schmerz ist aus! Perdu! Von gestern!
Fragen Sie Ihren Arzt oder Dealer.

                               ~ Ute Hamelmann

Der schöne fünfzehnte sechste

Gedichte

Nein,
mein Leben ist nicht aufregend,
ich sitze morgens nicht in der Paris Bar,
ich trage keine Designerkleider,
und gehe nicht auf die Kunstgala.
Ich gebe auch keine Interviews,
und posiere nicht auf Theatertreppen.
ich habe keine berühmten Verwandten,
oder Freunde, die welche hätten.
Ich habe keinen künstlichen Nägel,
und keine Story auf Instagram,
Ich bin. Ich bin. Ich bin.
Nur da. 
Immerhin.
Na ja.