Beziehungsveränderungen

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(Sweet but political addictions)

La fin du monde

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Das warme Deckmäntelchen des Kapitalismus

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German Sozialismus 4.0

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Hurra, Hurra,
wir gründen jetzt ne‘ Szenebar!
In Berlin Mitte,
gleich unter der Werber-Titte.

Da kommen ganz viel Yuppies hin,
das ist genau der Szene Sinn.
Und weil wir sie hassen, zutiefst verachten,
heißt die Aktion: Den Snob ausschlachten! 

Neukommunistische Business-Strategie:
Umverteilung wie noch nie!
Luxus-Pinke-Pinke gleich Mitte-Devisen,
hilft halb Kreuzberg aus den Miesen.

Parole Sofort! Ein jeder häuft an,
Schnöselspesen so viel man kann!
German Sozialismus Vierpunktnull,
dafür nochmal das Näschen full.

(Keine Sorge, der Herr,
auf dem Klo gibt’s noch mehr!
Dit is Berlin, wa?
ROFL und Ha!)

Unser Klassenkampfgewissen?
Auf den Bourgeois wird natürlich weiter geschissen!
Kampf dem Spießer und Fremdkapital, 
excusez moi, der Champagner wird schal.

U.H.

An meiner Wand hängen keine Gespenster

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Ich habe nichts außer Worten und Bilder,
keine Macht, kein Geld, keine Position,
keine reichen Eltern, 
und keine Lottomillion.

Ich habe keine C-Level-Freunde,
kein Seil, an das ich mich hängen kann,
und keine High-Class-Verwandten,
samt braungelbem Erbe daran.

An meiner Wand hängen keine Gespenster,
ich lebe nicht von vergangenem Ruhm,
ich bin auch kein Influencer,
auf Kosten Anderleuts Eigentum.

Bin weder bequem,
noch bin ich nett,
dien‘ nicht dem System,
geh’ mit keinem ins Bett.

Ich habe nichts außer Worten und Bilder.

U.H.

Erschöpft euch!

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Kommt wir gehen
in den Zustand kollektiver Erschöpfung.
Lasst uns an den Händen fassen
und die Köpfe hängen lassen!
Einfach so.
Wir können nicht mehr! 
Wir wollen nicht mehr!
Wir wollen keine Leistungsgesellschaft mehr sein!
Was soll der Mist?
Das ewige Aufstiegsversprechen:
Happier, fitter, richer!
Ruft schon der Kleinstkapitalist.
Wozu?
Wir wollen normal sein.
Warum will das eigentlich keiner mehr?
Normal sein?
Fragt der Economist.
Ausgerechnet der!
So weit ist es mit uns gekommen.
Eine Gesellschaft voller Angeber.
Happier, fitter, richer!
Nie zufrieden mit dem, was ist.
Wir wollen nicht mehr, mehr von dem Mehr!
Wir wollen müde sein!
Und erschöpft und allein –
auf Krankenschein.

Arbeiterkampf, ein Abgesang

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Früher, da gab es Denker,
die dachten –
sehr exklusiv.
Und es gab Arbeiter, 
die arbeiteten –
zum Denken hatten sie keine Zeit!
Dafür gab es ja die Denker,
die dachten für sie mit –
und fühlten sich sehr revolutionär dabei.
Sie dachten, wie sie das Leben der Arbeiter
wohl verbessern könnten.
Und machten 
martialische Theaterstücke daraus.
Oh episches Genie!
Jetzt ist es so,
besser.
Und die Denker haben ausgedient
und die Arbeiter spielen Computerspiele.

U.H.

Neue Odessa Bar

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Glasig leer ist der Blick,
verkokstes Starren ins innere Nichts.
Maximalgewinn, Pappentrip,
noch ne‘ Line, Partnertausch!
Höher, verstehste, Millionenprojekte.
Rausch folgt Rausch folgt Rausch folgt Rausch.

Kaviar, Sex und Hohlgequatsche,
Glitzertusche, Creditcard,
in hellgrüner Bomberjacke,
Torstraßen-Pop-Prekariat.

Was mit Kunst macht hier jetzt jeder,
Richkids tragen Alditasche,
alle Butts ganz geil mit Leder,
Connections, Queerness, Nazi-Asche.

Berghainschlange, Credskultur, 
hell yeah, we are fucking Insta-Aktivisten,
in Asi-Look mit Patek-Uhr,
Partykommunisten in Dauerpose,
Champagner-Cocktail,
Prince of Wales!

Und jene, deren Worte einst gewogen,
Hip-Hip, Chin-Chin, Hurra,
dienen als Designer Slogan,
Apokalypse gratis an der Bar.

U.H.

Leid

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Ein jeder hat ein Leid zu pflegen,
höchst ratsam, sich eins zuzulegen.
Das Leid an sich ist dernier cri,
so viel gelitten wurd’ noch nie!
Wer leidet wie? Wer stellt‘s zur Schau?
Ist das ein Leid! Da sag ich ‘wow’!
Man hält sich’s wie ein liebes Tier,
umhegt es sorglich mit Manier.
Das arme Leid, so sagt man sich,
was wär’s denn schließlich ohne mich?

Fliegenhölle

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Fliege (Nemesis)

In der Hölle, ich weiß es,
werden sie mich anstarren, 
Millionen Facettenaugen,
und mit tausend Rüsseln an mir saugen,
mit ihren haarigen Beinchen über mich trippeln,
und an mir nippeln – immerzu:
trip-pel, trip-pel, nip-pel, nip-pel.
Ihre papierenen Flügelchen werden surren,
stundenlang, tagelang, nächtelang!
S-U-R-R-R-R-R-R-E-N!
Und sie werden sich die kleinen Händchen reiben,
wie sie es immer tun, die Händchen reiben.
und sich genüsslich in Gelächter wiegen,
S-S-S-S-SSSSS…
die tausend toten Fliegen.

Berliner Kunstzirkus

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(Regieanweisung Art Week)
Megalomanische Hallen,
Entgrenzung is the “Key”,
Episch muss das knallen!
Think Big, XXL-Gigantomanie.

(Volksbühne)
Wir machen was mit echten Pferden.
Und echtes Blut muss spritzen!
Sich wälzende Nackte in schlammigen Erden.
Ja, das Blut bis zu den ersten Sitzen!

Von oben jetzt, die nackten Frauen,
mastubierend auf gelbem Hubschrauber,
Porn, wie die da von der Decke baumeln.
Geht das Stöhnen noch genauer?
(Iconic, jetzt schon!)

(Derweil in der Neuen Nationalgalerie)
Da gibt’s jetzt Tanz, Musik und Sundownerbar,
auf dem Boden wälzt sich ein Schwarzer in Ketten,
daneben türmen sich Menschen zur Knubbelschar,
und Brönner jazzt mit den Trumpetten.

Im Schinkelpavillon:
Windelinstallation.
(Boah! Alter! Meme!)
Edgy Kunstjünger mit Pispottschnitten,
Goldketten und schwarzen Demna-Lederkitteln.

Vor Sankt Agnes liegt ein Trauerkranz,
mit weißer Schleife im stillen Gedenken,
für den blinden Grapscherhans,
von wegen Dunkeltanz in Discotempeln.
(Repost Breitz: Der König wurde beim xx gesehen, Igitt!)

(Auf dem Dach des Schinkelpavillons, Dämmerung)
Opa Kluge mit ausdauernden Gedankenkaskaden,
Sprayer-Grosse theoretisch nuschelnd hinterher,
Biesenbach mit denglischen Gesellschaftsfragen,
danach weiß auch keiner mehr.

Liberty steht irgendwo.
Liberty, verstehste!
Nee, aber auch egal!
Doherty stiehlt allen sowieso die Show.
war ja klar.
(Nur schade um die Uferhallen, echt schade!)

Dazwischen PR- und Kritikerpersonal,
Vernissage, Finissage, Grill Royal –
Celebrity-Personalunion mit dem Kunstkapital.
und E.ON sponsert sehr loyal #GreenDeal.
(Na woll’n wir mal nicht so spießig sein…)

Ute Hamelmann

Ekel

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Hypernervöse Hysterie,
Alles ist absolut.
Apokalypse, Weltuntergang.
Ekstase im Echtzeitreel.
Wir sagen “Yes“ zu allem.
Widersprüche aufgelöst.
Werte sind Buttercremtorte,
Ironisch gemeint, na klar.
Das Leben als Dauerevent,
Doppelmonks an Hedonismus-Orten,
mit recyclebaren Papptellern 
und Holzgabeln,
immerhin.
Weltekel? Weggekokst!
Will keiner mehr hören, die alten Lieder.
Kunst als Schmerz will auch keiner mehr.
Schmerz ist aus! Perdu! Von gestern!
Fragen Sie Ihren Arzt oder Dealer.

                               ~ Ute Hamelmann

Der schöne fünfzehnte sechste

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Nein,
mein Leben ist nicht aufregend,
ich sitze morgens nicht in der Paris Bar,
ich trage keine Designerkleider,
und gehe nicht auf die Kunstgala.
Ich gebe auch keine Interviews,
und posiere nicht auf Theatertreppen.
ich habe keine berühmten Verwandten,
oder Freunde, die welche hätten.
Ich habe keinen künstlichen Nägel,
und keine Story auf Instagram,
Ich bin. Ich bin. Ich bin.
Nur da. 
Immerhin.
Na ja.

Bar 3

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Hintergrundwabernder Soulgesang
über lautstark palaverndem Publikum,
stimmgewirre Klangssuppe
in rauchschwangerem Zigarettendunst.

Versammelte Volksbühnenepigonen,
Autoren, oder sonstwas mit Kunst,
tragen normcoreschwarz im Ton.
in ‚ennuyant as attitude‘ – Facon.

Zwei drallblonde Mittexanthippen,
mit Duttfrisur, goldenen Riesenbrillen,
und musternd abwertenden Großstadtblicken
umschwärmen einen Schauspielstar.

Die Frau, en face, an der Bar, 
streichelt sich über ihr Hinterkopfhaar – fortwährend!
It’s too darn hot, summt der Beat,
If you can’t stand the heat,
na, weeste ja.

U.H.