An meiner Wand hängen keine Gespenster

Gedichte

Ich habe nichts außer Worten und Bilder,
keine Macht, kein Geld, keine Position,
keine reichen Eltern, 
und keine Lottomillion.

Ich habe keine C-Level-Freunde,
kein Seil, an das ich mich hängen kann,
und keine High-Class-Verwandten,
samt braungelbem Erbe daran.

An meiner Wand hängen keine Gespenster,
ich lebe nicht von vergangenem Ruhm,
ich bin auch kein Influencer,
auf Kosten Anderleuts Eigentum.

Bin weder bequem,
noch bin ich nett,
dien‘ nicht dem System,
geh’ mit keinem ins Bett.

Ich habe nichts außer Worten und Bilder.

U.H.

Erschöpft euch!

Gedichte

Kommt wir gehen
in den Zustand kollektiver Erschöpfung.
Lasst uns an den Händen fassen
und die Köpfe hängen lassen!
Einfach so.
Wir können nicht mehr! 
Wir wollen nicht mehr!
Wir wollen keine Leistungsgesellschaft mehr sein!
Was soll der Mist?
Das ewige Aufstiegsversprechen:
Happier, fitter, richer!
Ruft schon der Kleinstkapitalist.
Wozu?
Wir wollen normal sein.
Warum will das eigentlich keiner mehr?
Normal sein?
Fragt der Economist.
Ausgerechnet der!
So weit ist es mit uns gekommen.
Eine Gesellschaft voller Angeber.
Happier, fitter, richer!
Nie zufrieden mit dem, was ist.
Wir wollen nicht mehr, mehr von dem Mehr!
Wir wollen müde sein!
Und erschöpft und allein –
auf Krankenschein.

Arbeiterkampf, ein Abgesang

Gedichte


Früher, da gab es Denker,
die dachten –
sehr exklusiv.
Und es gab Arbeiter, 
die arbeiteten –
zum Denken hatten sie keine Zeit!
Dafür gab es ja die Denker,
die dachten für sie mit –
und fühlten sich sehr revolutionär dabei.
Sie dachten, wie sie das Leben der Arbeiter
wohl verbessern könnten.
Und machten 
martialische Theaterstücke daraus.
Oh episches Genie!
Jetzt ist es so,
besser.
Und die Denker haben ausgedient
und die Arbeiter spielen Computerspiele.

U.H.

Neue Odessa Bar

Gedichte

Glasig leer ist der Blick,
verkokstes Starren ins innere Nichts.
Maximalgewinn, Pappentrip,
noch ne‘ Line, Partnertausch!
Höher, verstehste, Millionenprojekte.
Rausch folgt Rausch folgt Rausch folgt Rausch.

Kaviar, Sex und Hohlgequatsche,
Glitzertusche, Creditcard,
in hellgrüner Bomberjacke,
Torstraßen-Pop-Prekariat.

Was mit Kunst macht hier jetzt jeder,
Richkids tragen Alditasche,
alle Butts ganz geil mit Leder,
Connections, Queerness, Nazi-Asche.

Berghainschlange, Credskultur, 
hell yeah, we are fucking Insta-Aktivisten,
in Asi-Look mit Patek-Uhr,
Partykommunisten in Dauerpose,
Champagner-Cocktail,
Prince of Wales!

Und jene, deren Worte einst gewogen,
Hip-Hip, Chin-Chin, Hurra,
dienen als Designer Slogan,
Apokalypse gratis an der Bar.

U.H.

Leid

Gedichte

Ein jeder hat ein Leid zu pflegen,
höchst ratsam, sich eins zuzulegen.
Das Leid an sich ist dernier cri,
so viel gelitten wurd’ noch nie!
Wer leidet wie? Wer stellt‘s zur Schau?
Ist das ein Leid! Da sag ich ‘wow’!
Man hält sich’s wie ein liebes Tier,
umhegt es sorglich mit Manier.
Das arme Leid, so sagt man sich,
was wär’s denn schließlich ohne mich?

Fliegenhölle

Gedichte
Fliege (Nemesis)

In der Hölle, ich weiß es,
werden sie mich anstarren, 
Millionen Facettenaugen,
und mit tausend Rüsseln an mir saugen,
mit ihren haarigen Beinchen über mich trippeln,
und an mir nippeln – immerzu:
trip-pel, trip-pel, nip-pel, nip-pel.
Ihre papierenen Flügelchen werden surren,
stundenlang, tagelang, nächtelang!
S-U-R-R-R-R-R-R-E-N!
Und sie werden sich die kleinen Händchen reiben,
wie sie es immer tun, die Händchen reiben.
und sich genüsslich in Gelächter wiegen,
S-S-S-S-SSSSS…
die tausend toten Fliegen.