In der DB Lounge in Frankfurt schlürfe ich einen kostenlosen Automatenkaffee. Vor mir liegt die Zeitschrift “Business Traveller”. Ich blättere lustlos in dem Heft. Der Business Traveller ist so eine Art eigene Klasse, a league of their own, denke ich. Klassen gibt es nicht mehr, sondern nur noch Sinus Milieus. Im Kartoffeldiagramm der Sinus Milieus sucht man ihn allerdings vergeblich, den Business Traveller. Noch! Denn er ist eine große, weltumspannende Kohorte. Es gibt 445 Millionen Business Travels pro Jahr, Tendenz steigend. Ein Boom-Markt mit fantastischen Wachstumsprognosen: 2.000 Milliarden Dollar Umsatz in 2028.
Auch in Deutschland gibt es Millionen von Business Travellern, die tagtäglich in und um Deutschland herum traveln, um ihr Geschäftchen zu machen. 75 Millionen Geschäftsreisen von Mitarbeitern deutscher Unternehmen in 2022. Das sind 205.480 Handlungsreisende pro Tag.
Gegendert wird er übrigens nicht, der Business-Traveller und so trostlos wie bei Willy Loman ist die Sache mit dem geschäftlichen Reisen in Sachen ‚Sales‘ längst nicht mehr.
Wer sich jetzt fragt: Hä? Wir haben doch MS-Teams und Zoom? Dem antworte ich nonchalant: Tja, das Leben ist voller Paradoxien und im Business muss es halt “menscheln”. In dem Magazin erfahre ich einiges über den Lifestyle des Business Travellers. Sein wichtigstes Accessoire: Der Koffer. Aber da geht das Problem schon los. Nimmt er den auf Alt-England getrimmten “Centenary” von Globetrotter für 1.300 Euro, oder lieber den flotten vierrolligen Plastik-Roadster von Porsche Design? Die passende Luxus Uhr am Handgelenk und dann noch die hippen Earphones mit maximaler Noise Cancellation. Das sind für den Business-Traveller essentielle Identifikations-Symbole. Ebenso stark nachgefragt sind Beiträge zu folgenden Fragen – Achtung Triggerwarmung: Was tun bei Kofferverlust? Wie schütze ich mich vor Kofferverlust? Welche Faktoren führen zu Kofferverlust?
Ansonsten lebt der Business Traveller ein Executive Premium Life in Executive Premium Lounges, Executive Premium Flugkabinen und Executive Premium Hotels. Die Fünf-Sterne- Star-Alliance-Flughafen-Lounge ist sein Refugium. Da checkt er seinen digitalen Flightplan und nimmt an der Rooftop-Bar wie in Abu Dhabi auf dem Zwischenstopp lässig an einer Teezeremonie teil oder macht vielleicht das, wofür er eigentlich da ist, Business. Vielleicht stellt er sich auch die philosophische Frage: “Quo vadis Geschäftsreise?” Im Magazin bekommt er dazu die passende Antwort: “Es gibt den Wunsch ‘zurück zu den Grundlagen’ zu gehen, was sich in naturbasierten Corporate Retreats und Wiederbelebung von Power Lunches manifestiert.” Mehr Nachhaltigkeit geht nicht! Mehr zum Thema Umweltschutz findet man im Business Traveller übrigens auch nicht. Nachhaltigkeit ist was für grünversiffte Pauschaltouristen oder Bundesbehörden.
Das alles freut den Business Traveller und die Immobilienbranche gleich mit. Hotels everywhere! Accor hat 350 neue Hotelprojekte mit rund 45.000 Zimmern in Planung, Marriot gibt eine neue Luxury Collection bekannt und auch die Hyatt-Gruppe verkündet weitere Openings. Wer braucht ein Zuhause, wenn man Business Traveller ist?
Dann gibt es noch einen großen Artikel über Abu Dhabi, Meister im MICE. MICE ist die Abkürzung für das, was früher zum Beispiel “Messe für Arbeitssicherheit” hieß und in Hannover, Dortmund oder Essen stattfand. Jetzt geht man auf “Meetings Incentives Conventions Exhibitions” kurz MICE und die sind im globalen Dorf praktischer Weise an Orten wie Abu Dhabi, wo sie gleich ein ganzes “Ökosystem” an Conventions für eben jene globalen Business Traveller aufgebaut haben.
Wie vorausschauend war es da, dass Abu Dhabi jetzt auch ein eigenes Louvre und demnächst ein Guggenheim hat? Denn zum Kunstgenuss wurden die Museen nicht gebaut, nee, zum Business, na klar. Der Business Traveller verrät: “Dass sich große Museen trefflich als Event-Location eignen, beweist der Gewinner der World MICE Awards 2023 in der Kategorie Best MICE Event-Venue: Das National Museum of Quatar.”
Am liebsten meeten sich die Business Traveller übrigens in Paris. Böse Zungen würden mutmaßen, dass man da für seine Spesen (höchste Ausgabe im im Finanzbouquet des Business Travellers) noch richtig was geboten bekommt (hö! hö!) und die besten Geschäfte ja eben doch nachts in gewissen Etablissements gemacht werden, aber wer wollte am Hochglanzimage des Business-Travellers kratzen? Ich nicht!
